30 Jahre AMIGA Feier in Neuss – Emotionaler Overflow im Test

Amiga

Wer mir vor 25 Jahren gesagt hätte, dass ich 2015 mit den großen verbliebenen Herren der AMIGA-Zeit Arm in Arm stehe und mit ihnen über die damaligen Jahre erzähle, dem hätte ich sicherlich nie geglaubt. Der AMIGA wird 30, was Fans aus ganz Deutschland auf die große Geburtstagsparty in Neuss lockte. Hier war ich nicht nur für neXGam, hier war ich aus purem Eigeninteresse, denn das Herz schlägt immer noch für diese prägende Epoche meines Lebens.

AMIGA-30-Geburstagsfeier-Neuss-2015-neXGam-11Es ist schwer, einen Einsteig in diesen Text zu finden, denn die Emotionen befinden sich seit dem gestrigen Tag immer noch im Überflug. Erstmalig hatte ich auch meine Kinder dabei, um ihnen die Welt des AMIGA näher zu bringen, aber was könnte ich hier von Zehn- bzw. Elfjährigen erwarten? AMIGA, der seine Hochzeit zwischen Mitte 1980 bis Mitte 1990 genoss, das war im Anschluss an die Commodere-64-Zeit eine Periode, in der die Benutzer noch wussten, was die Maschine vor ihnen tat. Nicht zu vergleichen mit heutigen Geräten, bei denen der User zwar noch Icons anklicken kann, die Geschicke im Hintergrund aber kaum versteht, geschweige denn Interesse daran hat, was passiert. Warum auch – ein Klick auf ein Symbol und ein Programm oder Spiel startet oftmals in Sekunden. Die harte Zeit, in der wir vor einem „1081“- oder „1084“-Monitor saßen und warteten, dem Laufwerk beim Einlesen der Daten lauschten und gespannt waren, was uns als Nächstes vom Hocker hauen wird, würde heute kaum einer überleben. Denn das war zu dieser Zeit an der Tagesordnung. Alles war neu, alles war frisch, alles war ein gefühlter Meilenstein. Egal ob Klänge, Bilder oder die Arbeiten mit der Workbench und anderen Programmen. Unsere Zeit floss täglich in Massen in die AMIGA-Hardware und wer glaubt, dass Computer oder Peripherie heute teuer sind, kann froh sein, erst später das Licht der Welt erblickt zu haben.

Nach dem Kauf meines AMIGA 1000, welcher in den Regalen mit 4000 DM lag, wobei ihm hierzulande bereits eine 256-KB-Speichererweiterung (ja richtig: KB nicht MB oder gar GB) beilag, kam nach der ersten AMIGA-Messe in Köln weiteres hinzu. 2-MB-Extra-Ram für 700 DM gefällig? Oder wie wäre es mit einer 45-MB-Festplatte, um den AMIGA professioneller nutzen zu können? Ein Bild aus meinem Jugendzimmer 1991 zeugt noch heute von meinem ganzen Stolz und so nahm ich genau dieses Foto mit nach Neuss, ohne zu diesem Zeitpunkt zu wissen, wie es Stunden später aussehen würde.

AMIGA-30-Geburstagsfeier-Neuss-2015-neXGam-02Die Organisatoren hatten ganze Arbeit geleistet und mit dem „Rheinischen Landestheater“ eine tolle Örtlichkeit gefunden. Gleich zur Eröffnung betrat kein geringerer als „Petro Tyschtschenko“ die Bühne, welcher seit Anfang der 1980er Jahre bei Commodore tätig und dort vor allem für die immense Logistik verantwortlich war. Erst vor kurzem kam ich dank meines Freundes Sebastian in den Genuss seines letzten Werks über die Tage bei Commodore und den AMIGA, das ich euch nur ans Herz legen kann. Was dieser Mann an Geschichten kennt und locker frei erzählen kann, ist unglaublich. Weiter ging es mit „David Pleasance“ und „Colin Proudfoot“, seinerzeit führende Männer von Commodore UK. Kaum waren die beiden fertig, erzählte „Ron Nicholson“ aus dem Nähkästchen und berichtete, wie er mit „Jay Miner“ die Architektur und Custom Chips des AMIGA zum Leben erweckte. Seine Anekdote, dass man auf dem Weg zum Prototypen eine schmale Treppe herauf und sich durch einen Sturz an der Decke förmlich vor dem AMIGA verbeugen musste, sorgte für herzliches Lachen. „Dave Haynie“ und „RJ Mical“ zelebrierten im Anschluss eine tolle Show um die vergangenen Hardware- und Software-Tage. „Dino Dini“ ließ Fußballherzen höherschlagen, waren seine Simulationen doch für viele kleine Augen am nächsten Morgen in Schule oder auf der Arbeit verantwortlich. Und wo wir bei den Spielen und deren musikalische Untermalung sind, dürfte „Chris Hülsbeck“ im Live-Duett mit „Patrick Nevian" natürlich nicht fehlen!  Obgleich für uns jedes neue Spiel „fast wie echt“ aussah, bewirkte zu jener Zeit vor allem der Soundtrack das hundertprozentige Eintauchen in Abenteuer und Geschichten. Für den Übergang zur Neuzeit sorgte Sven Vößing von Cinemaware, was irgendwie den Kreis zu RJ Mical schloss. Titel wie „Defender of the Crown“, „It came from the Desert“, „Wings“ oder „Rocket Ranger“ sind heutzutage noch in vieler Munde. Und was soll ich sagen, viele davon erleben gerade erneut ihr Revival.

AMIGA-30-Geburstagsfeier-Neuss-2015-neXGam-64In der folgenden Mittagspause ließen es sich viele Fans inklusive mir nicht nehmen, mit den „Berühmtheiten“ in Kontakt zu treten. Entgegen heutigen Gepflogenheiten sind diese Menschen ein Paradebeispiel dafür, wie man auch nach so langen Jahren noch mit Liebe bei der Sache und vor allem den Fans sein kann. Berührungsängste, was ist das? Diskussionen aus dem Weg gehen, warum? Etliche mitgebrachten Gehäuseteile, Disketten, Hüllen oder wie in meinem Falle Fotos wurden ohne Hektik genau geprüft und deren Entstehung erfragt. Im Anschluss kam der Edding zum Einsatz und wertete das alte Stück Plastik, Pappe oder Papier nicht nur im ideellen Sinne enorm auf. Mein Foto und dessen Geschichte erfreute MJ Mical z. B. so sehr, dass er davon eine Kopie erbeten hat. Mir blieb fast das Herz stehen, denn hier flogen keine Floskeln umher. Alle Beteiligten haben diese Epoche in einem Maß miterlebt, die man sich heutzutage kaum noch vorstellen kann. Die Redner offenbarten dem Publikum, dass sie Tag und Nacht für diese Sache einstanden, oftmals alles verkauft oder mit Hypotheken belastet haben, was nicht „niet- und nagelfest“ war. Sie glaubten, die Welt verändern zu können, und letzten Endes haben sie auch genau dies getan! Vor allem die damalige enge Verknüpfung zwischen den verschiedenen Menschen und Firmen wie Apple, Atari , AMIGA und Co. dürfte sich in der Geschichte nie wiederholen. Waren sie doch alle Pioniere, die im Grunde alle in eine Richtung wollten, hier aber doch ihre spezifischen Besonderheiten und Visionen von der Zukunft hatten. Vor allem die Erzählung über Steve Jobs, der seinen Mitarbeitern ziemlich deutlich sagte, dass er keine Farbe, sondern monochrome Personal Computer für die Menschheit sah, war interessant. Manch einem schwebte da doch etwas mehr Farbe vor, worüber wir froh sein können, denn durch solche Aktionen gab es die nächsten Abzweige der Geschichte in Richtung AMIGA.    

AMIGA-30-Geburstagsfeier-Neuss-2015-neXGam-05Aber darf man beim AMIGA nur in der Vergangenheitsform reden? Nein, keinesfalls, denn nach der Hälfte des Tages kamen die „neuen“ AMIGA-Menschen zu Wort. Nach „Cloanto“ betrat der millionenschwere AMIGA-Fan und -Vorantreiber „Trevor Dickinson“ die Bühne. Dieser hat es wirklich in sich, denn er erzählte derart überzeugt und mitreißend über seine Vision der Zukunft des AMIGA. Ein auf einem High-End-PowerPC basierender Rechner u. a. mit OS4 als Basis, wobei der AmigaONE X1000 hier nur den Anfang darstellen soll. 2009 gründete er die Firma A-Eon, welche am aktuellen X5000 arbeitet und hier in feinster Handarbeit derzeit 25 Computer pro Woche produziert. Seine Erklärung war einfach und logisch: Da wo Platz für Windows, iOS, Android ist, da ist auch Platz für ein AMIGA-Betriebssystem, dem am längsten lebenden OS überhaupt. Denkt man zurück an die nachvollziehbaren Schritte der AMIGA-Betriebssysteme und schaut auf aktuelle Amiga-OS oder Ableger wie MorphOS, entdeckt man diese Grundzüge sofort wieder. Natürlich können diese Rechner aufgrund der Nachfrage und der geringen Software noch nicht mit den anderen Systemen mithalten, aber man befindet sich hier auf einem guten Weg. So forderte er auch das Neusser Publikum auf, dem Projekt beizutreten, sofern diese ihre Zeit und ihr Wissen in die Wiederbelebung der Marke AMIGA stecken möchten. Vielleicht sind es dann aber auch Freunde und Bekannte, die nun davon Wind bekommen, und für diese gibt es eine eigene Anlaufstelle, wobei er jeden Anruf auch gerne persönlich annehmen würde!

AMIGA-30-Geburstagsfeier-Neuss-2015-neXGam-22Die Jungs von Hyperion Entertainment, MorphOS, ARES, individual Computers und MEGA65 rundeten das Programm der letzten zwei Stunden ab. Im Anschluss machte sich die Veranstalter mit den Ehrengästen und über 50 Besuchern, die eine Karte für die After Show Party in der Neusser Skihalle ergattern konnten, auf zur „After Show Party“.  Hier dürften die Gespräche, Anekdoten und sicherlich teils kaum zu glaubenden Geschichten ihren Höhepunkt erreicht haben.

Persönlich beendete ich meinen mein Tag am Tisch von Chris Hülsbeck ab. Dieser signierte meine 1991 auf der Kölner AMIGA-Messe gekaufte „Shades CD“. Im Anschluss erwarb ich noch das letzte Exemplar der limitierten 2008 Ausgabe von „Symphonic Shades“, welche nun ebenfalls seine Unterschrift trägt. Derweil hatte mein Sohneman beim Factor-5-Wettbewerb den Highscore eingefahren und von Chris nebenbei auch noch einen „Turrican“-USB-Stick mit allen Songs bekommen. Ich bin immer noch erschlagen von den vielen Eindrücken, den tollen Menschen, der angetroffenen Community, u. a aus dem A1K-Forum, die mit ihrem Engagement und Wissen auch dafür sorgen, dass der AMIGA weiterlebt. Wer die Auftritte nochmals ansehen möchte, sollte Ausschau nach dem Youtube-Kanal von „TheShadowNose“ halten, welcher das Event gestern über Twitch gestreamt hat und dieses alsbald auf seinem Kanal hochladen wird. Meinen Kids hat der Tag übrigens sehr viel Spaß bereitet und der Abend wurde mit einem AMIGA-Titeln zu Ende gebracht. Zu meiner Schmach auf einem Emulator, aber ich kann euch sagen – es juckt gerade ungemein, dem AMIGA-Hype nochmals beizutreten! Wollt ihr auch wieder dabei sein? Dann ist jetzt ein guter Zeitpunkt. „Remember when computing was fun?“
 

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Forum
  • von 108 Sterne:

    bmX schrieb: Ich war auch vor Ort es war wirklich super. So viele Menschen, die den Amiga gefeiert habe, sehr beeindruckend. Dazu noch die ganzen bekannten Persönlichkeiten. Hier eine kleine Galerie von...

  • von acrid:

    Filmchen: pixelor.de/amiga-30-in-neuss/...

  • von I hate Choi:

    ja, habe ich verpeilt bzw. nicht daran gedacht. Es war wirklich eine gelungene Veranstaltung und nur Gleichgesinnte wohin man schaut. Im Prinzip war es ein Familientreffen mit 99% Männeranteil ...

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