Keine Spieleserie hat meine Jugend so geprägt, wie es die Resident Evil Reihe getan hat. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich Ende der Neunziger in meinem abgedunkelten Jugendzimmer saß und mit gebanntem Blick auf den kleinen Röhrenfernseher meine Spielfigur durch das teuflische Herrenhaus bewegte. Dabei war die Angst mein ständiger Begleiter, schließlich musste ich schon erleben, wie ich und meine Teamkameraden von hundeähnlichen Bestien angegriffen wurden und einer meiner Kollegen von einem Zombie angeknabbert wurde. Als ich wenig später einen von Fenstern gesäumten Gang entlanglief, ahnte ich bereits Übles. Trotzdem rutschte mir mein Herz fast in die Hose, als mit lautem Klirren die Hundemonster durch die Scheiben sprangen. Als Jahre später ein Remake des Serienerstlings für den GameCube angekündigt wurde, kannte meine Vorfreude keine Grenzen. Sehr zu meiner Überraschung begnügte sich Capcom nicht mit einem grafischen Update, sondern integrierte zahlreiche neue Elemente, welche trotz vertrautem Setting ein neues Spielgefühl erzeugten.
Ein paar Worte zur Story: Im Jahre 1998 kommt es in der Nähe der beschaulichen amerikanischen Stadt Raccoon City zu zahlreichen unerklärlichen Morden. Die Opfer wurden regelrecht zerfleischt, was auf tierische Angreifer schließen lässt. Um die Vorfälle zu untersuchen, wird das S.T.A.R.S. Bravo Team, eine Polizeispezialeinheit, in das dicht bewaldete Gebiet gesendet. Als der Kontakt zu Team Bravo abreißt, wird das S.T.A.R.S. Alpha Team hinterhergeschickt, um die Vorkommnisse zu klären und Team Bravo zu finden. Vor Ort findet unsere Einheit jedoch nur den abgestürzten Helikopter samt totem Piloten. Plötzlich wird unser Trupp von einem Rudel entstellter Hunde angegriffen, welche sogleich unseren Kameraden Joseph bestialisch töten. Nur unter dem Einsatz aller Feuerwaffen können sich die verbliebenen Polizisten in ein abgelegenes Herrenhaus retten. Doch auch hier erwartet unsere Helden nur Grauen und Tod in Form von zu Zombies mutierten Bewohnern und anderen schrecklichen Kreaturen.
Da Resident Evil eine Vielzahl an verschiedenen Enden besitzt, lohnt es sich, den Titel mehrmals durchzuspielen, um alles sehen zu können. Der Plot wird durch zahlreiche aufzufindende Briefe und Dokumente vorangetrieben, was sehr zur Atmosphäre beiträgt. Schon bald erfahren wir, dass der Pharmakonzern Umbrella für das grausige Geschehen verantwortlich ist. Zu allen Übel scheint dazu einer unserer Kollegen ein abgekartetes Spiel mit uns zu spielen. Die Story ist durchaus spannend, bekommt jedoch durch die eher flachen Charaktere und die teilweise unfreiwillig komischen Dialoge den Charme eines (guten) B-Movies.
Der Verlauf der Geschichte wird maßgeblich von der Wahl der Spielfigur beeinflusst. In der Rolle von Chris Redfield haben wir es mit der schüchternen Bravo-Team Ärztin Rebecca Chambers zu tun, während Jill Valentine hauptsächlich mit dem Waffenspezialisten Barry Burton interagiert. Natürlich haben beide spielbaren Charaktere ihre eigenen Vor- und Nachteile. So ist Chris zwar ein hervorragender Schütze und hat eine höhere Vitalität als seine Kollegin, kann dafür aber auch weniger Items tragen und tut sich schwer mit dem Knacken von Schlössern. Jill hingegen bekommt bereits relativ zu Beginn einen Dietrich, mit dem sie viele Türen und Schubladen mit Leichtigkeit öffnen kann. Soweit so gut, aber was hat Capcom denn an Neuerungen ins GamCube-Remake eingebaut? Hier hat sich das Team um Mastermind Shinji Mikami nicht lumpen lassen:
Die Steuerung wurde durch eine praktische 180-Grad-Drehung vereinfacht, während sich die einmalig verwendbaren Verteidigungswaffen (Granate, Elektroschocker, Dolch) als nützliche Helfer erweisen, wenn ein untoter Unhold dem Spieler zu nahe kommt. Besonders spannend war das Erforschen der neuen Areale, welche sich stimmig ins Spiel einfügten. Kenner des Originals von 1996 wurden zudem vom Remake zahlreiche Male an der Nase herumgeführt, da die Rätsel teilweise neu gestaltet und auch einige Schockeffekte verändert wurden. Anno 1996 waren die Zombies noch wenig bedrohlich, da es selten mehr als zwei Wiedergänger gleichzeitig auf unsere Halsschlagader abgesehen haben. Durch einen geschickten Kniff wurden die modrigen Antagonisten jedoch im Remake deutlich aufgewertet. Zombies können nur noch durch das Zerstören des Kopfes oder das Verbrennen des Körpers endgültig ausgeschaltet werden. Da das dafür benötigte Kerosin aber stark rationiert ist, muss man genau überlegen, wo ein Feuerchen wirklich nötig ist und wo nicht.
Zombies, welche nicht geköpft oder verbrannt wurden, stehen nach einer kurzen Zeit als Crimson Heads wieder auf und erweisen sich als deutlich agiler und gefährlicher als zuvor. Natürlich bekommen wir es aber auch mit anderen Schreckensgestalten wie riesigen mutierten Schlangen und Spinnen sowie den reptilienartigen Huntern zu tun. Zum Glück können wir im Laufe des Spiels auf starke Waffen wie den Granatwerfer oder die Magnum zurückgreifen, um uns unserer Haut zu erwehren.
Im Vergleich zu seinen Nachfolgern ist der erste Teil relativ actionarm. Die Erbauer des Anwesens hatten offensichtlich ihre Freude daran, sich teils clevere, teils abstruse Rätsel auszudenken, um euer Fortkommen zu behindern. Mal müssen zwei Edelsteine in einen steinernen Tigerkopf eingesetzt werden, mal müssen wir vier Totenmasken sammeln, um an den Inhalt eines Sarges zu gelangen, und ein anderes Mal an den Zeigern einer Standuhr herumspielen, um an ein begehrtes Item zu kommen. Leider hat sich Capcom nicht die Mühe für die Remaster-Version gemacht, einen Modus mit neu arrangierten Rätseln oder Schockeffekten einzubauen, was für Besitzer der GameCube- oder Wii-Fassung mit Sicherheit einen erhöhten Kaufanreiz bedeutet hätte. Wenigstens hat man sich jedoch dazu durchgerungen, einen neuen Steuerungsmodus zu integrieren, um Resident Evil-Neulingen den Einstieg zu erleichtern. Als Serienkennerin darf ich jedoch auch die gute alte Tank-Steuerung wählen, was ich sehr löblich finde.
Technisch ist die Remaster-Version ein zweischneidiges Schwert. Den Zwischensequenzen merkt man ihr Alter deutlich an, während die HD-Optik in einigen Räumen wie der Eingangshalle richtig gut aussieht. Auch die Charaktermodelle erstrahlen in neuem Glanz. Dank seiner vorgerenderten Grafik ist Resident Evil ohnehin besser gealtert als andere Spiele seiner Generation. Dennoch darf man keine Grafikpracht wie bei The Last of Us erwarten, da es sich lediglich um einen hochskalierten und leicht aufgehübschten Port eines inzwischen 13 Jahre alten Spiels handelt.
Das merkt man auch dem Spieldesign an, welches manche altersbedingte Marotte bietet. So können das extrem häufige Backtracking, die altbekannten Türladesequenzen und das Speichersystem via Schreibmaschine mit limitierten Farbbändern sehr an den Nerven von serienunerfahrenen Spielern nagen. Veteranen hingegen nehmen diese Eigenheiten mit einem Schulterzucken hin. Gerade auch der Mangel an Speichermöglichkeiten treibt die Spannung in die Höhe, schließlich könnte hinter jeder Ecke der plötzliche Tod lauern und der Spielfortschritt der letzten Spielstunden verloren gehen. Gerade auf dem höheren Schwierigkeitsgrad empfiehlt es sich, mit der Munition und den Heilgegenständen (Kräuter und Heilsprays) sparsam umzugehen. Besonders ab dem Auftauchen der gemeingefährlichen Hunter in der zweiten Spielhälfte wird man über jede Schrotkugel und jedes Granatprojektil froh sein, welche man zuvor aufgespart hat. Das Ressourcenmanagement ist also eine Grundvoraussetzung für das Überleben des Abenteuers.
Ein besonderer Kniff ist Capcom seinerzeit mit den festen Kameraperspektiven gelungen, welche zwar die Steuerung verkomplizieren, aber dafür ein unglaublich cineastisches Flair erzeugen. Meistens können wir die Räume nicht vollständig einsehen. Somit begleitet uns stets die Angst davor, dass sich in einem toten Winkel ein Feind verbergen könnte. Diese Furcht vor dem Ungewissen steigert den Nervenkitzel enorm. Resident Evil ist atmosphärisch immer noch ein Meisterstück, was nicht nur an den seltenen aber dafür effektiven Schockeffekten, sondern auch an der stimmungsvollen und unaufdringlichen Musik sowie den gruseligen Räumlichkeiten liegt. Anders als die neueren Ableger setzt der erste Teil nicht auf Over-the-top-Action, sondern auf das Gefühl der Isolation. Damit bildet Capcoms Schauermär einen guten Kontrast zu vielen modernen Horrorspielen und wird gerade für jüngere Spieler eine ungewöhnliche Erfahrung darstellen.
Seit dem Erscheinen des Playstation Originals aus dem Jahr 1996, habe ich unzählige Horrorabenteuer gespielt. Trotzdem haben die frühen Resident Evil Spiele ihre Faszination auf mich nie eingebüßt. Gerade das Remake des ersten Teils fesselt mich immer noch durch seine unheimlich dichte Atmosphäre. Trotzdem kann ich den Kauf der Remaster Version nicht uneingeschränkt empfehlen. Da die Änderungen gegenüber der Game Cube Version marginal sind, muss jeder selbst wissen ob ihm das audiovisuelle Update die 20€ wert ist. Wer jedoch das Remake nicht besitzt und etwas für klassische Horrorkost übrig hat, kann hier bedenkenlos zuschlagen. Wer Wert darauf legt sich ein Spiel ins Regal zu stellen, kann übrigens zumindest als Playstation 3 Besitzer auf eine japanische Retailversion ausweichen. Diese bietet zum Glück deutsche Untertitel und englische Sprachausgabe, ist aber natürlich deutlich teurer als die Downloadversion.