Wohin "steuern" wir? im Test

Mein spontan entstandener Artikel Mein NES, ein 9-Jähriger und Hits von gestern fand erstaunlich großen Widerhall. Sogar im Forum wurde darüber diskutiert. Als jemand der 10 Jahre Reviews ohne Leser Feedback schrieb, bin ich so viel Aufmerksamkeit gar nicht gewöhnt. Ein weiterer Kommentar erreichte mich per Instant-Messenger und teilte mir mit, es wäre interessant zu erfahren, welche Erfahrung der Neffe mit Spielen hat. Das stimmt. Ich hätte erwähnen können, dass er keine eigenen Geräte besitzt, hin und wieder aber auf dem Smartphone seiner Mutter spielt. Was mich zum Nachdenken brachte, wie sehr sich das Medium Videospiele gerade verändert. Der erste Kontakt eines 9-Jährigen mit Spielen besteht heute darin, mit dem Finger Kugeln auf einem Handy Touchscreen durch ein Labyrinth zu dirigieren. Was bedeutet das für uns?

mastersystempadWir erleben gerade einen großen Übergang. Das Grundkonzept einer plattformübergreifenden Standardsteuerung löst sich auf. Was meine ich? Als wir aufwuchsen, da gab es Control Pads mit Steuerkreuz (später: Analogstick) und Buttons. Es war eine Konstante: egal ob NES oder Xbox, wir nahmen zum Spielen ein Pad in die Hand. Die Generation meines Neffen lernt das auch noch kennen. Aber sie wächst ebenfalls mit Touchscreen Smartphones und bewegungssensitiver Technik wie Kinect, PlayStation Move oder WiiMotion Plus auf. Alternative Steuermethoden brechen das Monopol des Control Pads. Ich frage mich: Ändert sich damit nicht auch die Art und Weise, wie wir Games empfinden?

Nehmen wir den Klassiker R-Type. Kürzlich surfte ich in der Mittagspause durch den Android Marketplace auf meinem Smartphone und erblickte den Port des Irem Shoot 'em ups. Im ersten Moment freute ich mich, neben „Aqua Pets“ und „Buka HD“ einen bekannten Namen zu erblicken. Aber handelt es sich bei R-Type auf meinem Android Handy wirklich um dasselbe Spiel wie auf meinem Master System? Nicht wertend gemeint! Und auch nicht auf das Spielprinzip bezogen, sondern vielmehr auf das Spielgefühl selbst.

R-Type3Ich finde es schwer, darauf eine klare Antwort zu finden. Wenn ich die Master System Version einwerfe, dann ergreifen beide Hände das Pad, meine Finger finden sofort ihre Position. Ich muss nicht überlegen. Mein rechter Daumen sortiert sich über dem 2-Knopf, der linke Daumen schwebt über dem Steuerkreuz. Pad und Hände verschmelzen in diesem Moment, sie werden eine Einheit, während ich mein kleines Raumschiff durch enge Korridore navigiere. R-Type verlangt sogar von mir, meine Finger zu vergessen. Müsste ich jedes Mal über die richtige Reaktion nachdenken oder meine Finger bei der Eingabe beobachten, das verdammte Bydo Empire* hätte leichtes Spiel!

Aber wie verhält es sich mit R-Type auf dem Touchscreen? Während das Spielprinzip unverändert blieb, erweist sich das Spielgefühl als komplett anders. Ich tippe mit meinem Finger auf das Display. Dann nehme ich den Finger wieder weg. Ich tippe erneut, nehme ihn wieder weg. Mein Finger gerät zwischen mich und mein Spiel. Es ist keine künstliche Verlängerung meines Körpers mehr, keine Verschmelzung zwischen Spieler und Gerät. Aber hey, es ist doch immer noch R-Type, oder? Nicht für mich.

zurueckzukunft2Dabei ist R-Type auf Android Handys ein technisch brillianter Port. Aber während ich mit dem Finger auf dem Display tippe und hässliche Abdrücke hinterlasse, bin ich mir allzu bewusst, dass ich gerade ein Spiel auf meinem Samsung Handy zocke. An einer Konsole mit Pad fühle ich anders. Da betrete ich eine andere Welt. Ich klettere in mein Raumschiff, übernehme die Kontrolle und fokussiere mich ausschließlich auf diese virtuelle Welt mit ihren feindlichen Flugstaffeln und fiesen Endgegnern. Ich tauche ab in diese Spielewelt und vergesse für den Moment alles um mich herum. Führt das nicht eigentlich die Idee von touch- und bewegungssensitiver Steuerung ad absurdum? War das große Ziel nicht gerade eine „intensivere“ Spielerfahrung?

Und wie verspürt mein kleiner Neffe, stellvertretend für kommende Spielergenerationen, diese Erfahrung? Fühlt er ähnlich wie ich? Erklärt dies, warum erfahrene Gamer die Spielerfahrung auf Handys für schrecklich dröge halten? Wie werden klassische Konsolenhersteller langfristig auf diese Entwicklung reagieren? Werden Spiele komplexer und intensiver, um sich von den 1,99 Euro Games am Handy abzusetzen? Und was steht uns bevor? Unser Forenmitglied „Tronpheus“ rief in der Diskussion zu meinem letzten Artikel jene Szene aus Zurück in die Zukunft 2 in Erinnerung, als Marty McFly von den Kids der Zukunft beim Daddeln des Wild Gunman Automaten verlacht wird. „You mean you have to use your Hands? That‘s like a baby‘s toy!

Werden wir alten Gamer am Ende alle zu Marty McFlys?

 

 

* Name des feindlichen Imperiums in R-Type

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