Anno – Erschaffe eine neue Welt im Test

Ich traue mich schon gar nicht mehr, das Radio bzw. den Fernseher anzuschalten, um Nachrichten zu schauen, denn immer wieder kommt eine Schreckensmeldung aus Welt. Hier geht irgendwo ein Betrieb pleite und dort haben sich die Arbeitslosenzahlen erhöht oder eine insolvenzgeplagte Firma streicht 10.000 Arbeitsstellen mit einem Schlag. Da fragt man sich, wie Manager oder Politiker in ihren Positionen haushalteten, denn ein Betrieb oder ein Bundesland verschuldet sich nicht von ganz allein. Positive Bilanz ist das Stichwort, um die Kassen zu füllen!

Und wie erreicht man das? Indem man Arbeitsplätze schafft, Bedürfnisse der Bewohner erfüllt (um ihre Leistung zu steigern) und recht schnell expandiert. Anno-Spieler werden jetzt sofort freudig mit dem Kopf nicken, denn diese einfachen Grundregeln hat so manchen virtuellen Insel-Bürgermeister zu einem geschätzten und millionenschweren Eigentümer eines schwimmenden Wirtschaftswunders gemacht. Glaubt ihr als Wii-Besitzer es besser machen zu können als Merkel und Co., empfehle ich euch die Aufbau-Simulation Anno – Erschaffe eine neue Welt!

Das Szenario könnte nicht besser passen: König George, Herrscher des Abendlandes, hat im Jahr 1404 mächtig Probleme, denn dem eigenen Volk geht es extrem bescheiden. Eine große Dürre hat das geliebte Land in eine Wüste verwandelt und Folgeerscheinungen wie Hunger und Armut kratzen an seiner gerosteten Krone. Als letzten Ausweg ruft er seine beiden Söhne William und Edward zu sich, um das Problem an den Wurzeln zu packen. Recht geschwind eilen die unterschiedlichen Brüder zum Hof und hören auf Papas Befehl. Ihre Mission: Besiedelt die Eilande im Süden, um das Volk zu retten! Ihr übernehmt in den acht Abschnitten der Einzelspielerkampagne die Rolle des Weltverbesserers William Riley, der sich recht schnell aufmacht, um die unbewohnten Inseln zu produktiven Festungen im Meer auszubauen. An eurer Seite sind die Berater Cornelius und das Piratenmädel Evelyn Bellard.

Sie versorgen euch immer mit Missionen sowie Tipps und sorgen ab und zu für einen kleinen Lacher, denn ihre Unterhaltungen sind nicht ganz ohne. Das Grundprinzip von Anno ist wie auf dem PC unverändert. Ihr findet meist eine unbewohnte Insel vor, die ihr mit Produktionsstätten, Häusern und Kasernen ausbaut. Doch zuvor gilt es, ein Kontor zu erstellen, um mittels Getreidefarm, Bergwerk und Holzfällerlager Grundbedürfnisse der Untergebenen zu stillen. Nebenbei werden verschiedene Güter, die ihr erwirtschaftet, nach England geschickt, um euren Vater Tribut zu zahlen. Das versucht der böse eingestellte Bruder Edward auch, nur benutzt er mehr oder weniger den unfairen Weg zum Sieg. Das Spiel kennt fünf Zivilisationsstufen, die eure Untertanen erreichen können, wenn ihre Bedürfnisse gestillt werden. Sind Pioniere und Siedler noch leicht mit Gütern wie Kleidung oder Kräuter zu befriedigen, wollen Patrizier ohne eine Kirche im Dorf erst gar nicht aus ihrem Haus kommen. Der Clou dabei: Je höher das Volk aufsteigt, umso mehr Steuern werdet ihr bekommen und die Produktivität steigt ins Unermessliche. Ihr könnt euch vorstellen, dass euer Geldbeutel davon am meisten profitiert.

Aber Anno wäre nicht Anno, würde das alles nicht wie im Schlaf passieren. Ihr als Bürgermeister eines Inselparadieses steht vor großen Entscheidungen. Soll ich jetzt die Fischerhütte zu einem Hafen umbauen, um somit mit den Nachbarn Handel treiben, oder mein Geld dazu verschwenden, vermoderte Schatzkarten zu kaufen, um somit versunkene Schätze zu jagen. Die Entscheidungsvielfalt ist bei Anno – Erschaffe eine Welt recht vielfältig, aber im Vergleich zu seinem PC-Bruder leicht vereinfacht. Während der laufenden Kampagne werdet ihr öfters vor die Wahl gestellt, friedlich mit euren Nachbarn zu handeln oder mit Waffengewalt die Fronten zu klären.

Auch der begrenzte Platz jeder Insel wird euch zum Umdenken zwingen. Somit ist Expandieren oft an der Tagesordnung, weil einige Produkte erst auf anderen Inseln mehr Gewinn bringen als sonst wo. Um aber neue Bereiche zu erschließen, gilt es Verdienste zu erlangen, die auch gleich die Missionsziele sind. PC-Spieler werden schon das Missionsschema wie „Errichte eine Inselgemeinschaft mit 200 Einwohnern“ oder „Baue 20 Tonnen Stein ab“ bei den bekannten Vorgängern kennen. Hier bietet der Aufbautitel leider nicht wirklich Neuartiges.

Aber trotz des immer gleichen Spielprinzips (Insel finden, Wirtschaftssystem ankurbeln, Handel mit Partnern treiben) versprüht der Titel eine recht lockere Art, bei der es keine Minute langweilig wird. Das liegt an den Faktoren der Steuerung und der Aufmachung. Ich habe keinen Moment gezweifelt, dass Keen Games einen PC-exklusiven Titel mit brauchbarer Steuerung auf die Wii umsetzen könnten. Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass er sich noch viel besser spielt als mit Maus und Tastatur. Die Menüführung ist übersichtlich in einem komfortablen Baumenü gegliedert. Die Steuerung mit Wii-Remote und Nunchuk ist sehr intuitiv und geht in wenigen Sekunden in Fleisch und Blut über. Dank der guten Zoom-Funktionen der Kamera sind Übersichtsprobleme vom Tisch gefegt. Die Grafik ist dank Comicdesign eine echte Augenweide. Solltet ihr in der höchsten Zoomstufe mal eure Insel genaustens beobachten, werden euch unglaublich viele Details überraschen. Die Inselparadiese sind mit einer hohen Tierwelt besiedelt, die an Einzelheiten nur so strotzen. Auch euren Untergebenen über die Schulter zu kucken kann recht spannend sein, denn je nach Grad eurer Zivilisation wuselt einiges auf eurem heimischen Fernseher umher.

Was die Sprachausgabe und die liebevolle Musik angeht, ist Anno – Erschaffe eine Welt für mich zur Zeit das Spitzenprodukt schlechthin. Die deutschen Synchronsprecher haben wirklich ganze Höchstleistungen gebracht. Somit sind jeder gesprochene Text und die Unterhaltungen ein Hörgenuss. Allein schon die Streitgespräche zwischen dem verkrampften Berater Cornelius und der Piratenbraut Evelyn tragen viel zur tollen Atmosphäre bei. Auch im Konsolenpendant ist neben der Einzelspielerkampagne ein Endlosmodus vorhanden, der Entdecker für viele Stunden beschäftigen wird. Parameter wie Anzahl der Rohstoffe, Größe der Inseln oder Feindkontakte sind im Handumdrehen zu regeln. Dann gibt es kein Halten mehr und eurer Kreativität sind keine Grenzen gesetzt!