Alpha Protocol im Test

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Das Schlimmste, was ein Videospiel-Entwickler haben kann, ist zu wenig Zeit. Aus Zeitmangel entstanden katastrophale Flops wie das legendäre E.T. für das Atari 2600, das von Bugs zerfressende Gothic 3 und nahezu jede aktuelle Lizenzgurke. Von zu wenig Zeit kann Obsidian Entertainment mit ihrem Spionage-RPG Alpha Protocol nicht sprechen. Um satte sieben Monate wurde das Spiel verschoben und erschien nun endlich am 28. Mai. Doch Obsidian schenkt man diese Zeit gerne, haben sie doch mit Neverwinter Nights und Star Wars: Knights of the old Republic 2 bewiesen, dass sie einiges auf dem Kasten haben. Doch ob sich die Wartezeit wirklich gelohnt hat, erfahrt Ihr in unserem Test!

Alpha_Protocol-08.jpgDer Spieler übernimmt die Rolle des Agenten Michael Thornton, das neueste Mitglied der Geheimorganisation Alpha Protocol. Sein erster Auftrag führt ihn nach Saudi-Arabien, wo er den Terroristen Al-Samaad stellen soll. Dieser ist im Besitz von mächtigen Raketen, deren Kraft der Bösewicht eindrucksvoll an einem US-Flugzeug  demonstrierte.

Davon kriegt die Regierung natürlich Wind und zwingt den Terroristen mit Hilfe von Agent Thornton die Waffen rauszurücken, doch diese wurden, laut Al-Samaad, schon längst weiter verkauft. Kurz darauf wird das Terroristenversteck Zielpunkt eines Raketenangriffs, den Thornton überlebt. Komischerweise steht nun unser Held plötzlich ganz oben auf der Most-Wanted-Liste der CIA und des FBI. Nun muss der Spieler nicht nur Thorntons Unschuld zu beweisen, sondern auch den Grund dieser heimtückischen Falle erfahren und die wahren Übeltäter finden.

Alpha_Protocol-10.jpgObsidian Entertainment geht in Sachen Storytelling einen besonderen Weg. Der Spieler entscheidet während der Gespräche selbst, wie Michael Thornton sich verhalten soll, was sehr an die Mass Effect Trilogie erinnert. Er kann allen Personen gegenüber aggressiv, neutral oder freundlich wirken und verändert somit die Geschichte sowie das Verhältnis zum Gegenüber. Lieber den Gegner ausschalten, damit er keine weiteren Menschenleben mehr kostet, oder am Leben lassen, um mehr Infos aus ihm heraus zu quetschen? Bei jeder dieser Entscheidungen kommt das Gefühl auf, die Story zu beeinflussen, was die sowieso schon sehr spannende Geschichte von Alpha Protocol noch intensiver gestaltet.

Spielerisch versucht Alpha Protocol einen Spagat zwischen Stealth-Action und Rollenspiel. So lässt sich gleich zu Beginn ein Charakter mit verschiedenen Hintergründen, wie Söldner, Techniker oder Agent sowie diversen Fähigkeiten erstellen. Diese reichen dabei vom Umgang mit verschiedenen Waffen bis zu Tarnung, Kampfsport und Technikverständnis. Der Spieler entscheidet somit, wie gespielt wird. Rambo-Anhänger greifen zu dicken Kalibern und einem erhöhten Energiebalken, Stealth-Fans zur besseren Tarnung, sowie das Scharfschützengewehr.

Alpha_Protocol-07.jpgBei jeder Aktion im Spiel erhält Thornton Erfahrungspunkte, mit denen er eine Stufe aufsteigen kann, was wieder rum mehr Fähigkeitspunkte zum Verteilen bringt. Je nachdem, wie viele Punkte in eine bestimmte Fähigkeit investiert wurden, lassen sich sogar verschiedene Spezialattacken und andere nützliche Gimmicks freischalten, wie Dauerfeuer für die Pistole oder die Fähigkeit die Blickwinkel der Gegner zu sehen. Auch mit haufenweise Equipment darf gerechnet werden. Vor jeder Mission fällt ein Einkaufsbummel auf dem Schwarzmarkt an, der neue Waffen, Modifikationen und Gadgets parat hält, um dem Spieler das Agentenleben zu erleichtern.
 
Die Stealth-Einlagen funktionieren allerdings keineswegs so gut wie bei den Genre-Größen Metal Gear Solid und Splinter Cell. Zum einen sind deutlich weniger Aktionen vorhanden. So muss sich der Spieler auf simples schleichen und in Deckung gehen beschränken. Wobei letzteres nicht immer so klappt, wie man es möchte. Auch die Gegner-KI hat deutliche Aussetzer.

Alpha_Protocol-03.jpgScheinbar hat man es nur mit nervösen Amateuren zu tun, denn sobald der Spieler in Sicht ist, rennen sie entweder planlos umher oder direkt auf den Spieler zu. Manche bemerken Thornton auch erst gar nicht, obwohl er nur wenige Meter vor ihnen steht. Andere wieder rum entdecken ihn aus zehn Meter Entfernung - versteckt hinter einer Mauer. Da hilft, wie in den meisten Fällen, nur noch das Auspacken der Waffen.

Doch auch hier wird man einige Male fluchend den Kopf schütteln, denn egal, wie gut man zielt: Kopfschuss ist nicht gleich Kopfschuss. Der Rollenspielaspekt kommt hier zum Tragen, denn wenn man nicht genug Fähigkeitspunkte in die jeweilige Waffe gesetzt hat, lässt euch der imaginäre zwölfseitige Rollenspielwürfen den Schuss einfach verfehlen, obwohl man nicht genauer hätte zielen können. So etwas nervt ungemein und macht schlichtweg keinen Spaß. Auch die unhandliche Steuerung macht Alpha Protocol einen Strich durch die Rechnung. Für Spezialfähigkeiten gibt es nur einen Hotkey, so dass des öfteren in das Menü gewechselt werden muss, um eine bestimmte Aktion durchzuführen. Im Gegensatz dazu stechen die Minigames, in Form von Schlösser knacken, Computer hacken und Alarmsystem deaktivieren, richtig positiv heraus und machen auch nach einigen Durchgängen noch Laune.

Alpha_Protocol-09.jpgGrafisch ist Alpha Protocol leider ebenfalls nicht das Gelbe vom Ei. Angefangen bei den langweilig gestalteten Aussenarealen, den kantigen Objekten, der texturarmen Umgebung und schlussendlich der sehr hölzern aussehenden Animationen der Charaktere. Trotz dieser Mängel schafft es das Spiel nicht einmal die schwachen Texturen rechtzeitig darzustellen, sodass man einige male die Umgebung nachladen sieht. Das kennt man eigentlich nur aus umfangreichen Open-World-Titeln und nicht aus linearen Spionage-Abenteuern.

Dazu gesellen sich noch Clipping-Fehler, peinliche Lichteffekte und eine störrische Kamera. Einzig die Mimik der Charaktere während der langen Dialoge kann überzeugen - aber nur im Gegensatz zu dem grafischen Rest. Glücklicherweise sieht es Sound-technisch deutlich besser aus. Das Spielgeschehen wird mit spannender "Agenten-Musik" untermalt, die gerne an einen alten James Bond Streifen erinnert. Auch die, leider nur englische, Sprachausgabe kann überzeugen. Unterstützt wird dies mit deutschen Untertiteln, deren Textblöcke allerdings viel zu schnell verschwinden. Selbst Schnellleser kommen da teilweise kaum hinterher. Wer also dem Englischen mächtig ist, sollte die Untertitel einfach ausstellen.




Tobias meint:

Tobias

Es hätte richtig gut werden können... Doch was uns Obsidian Entertainment mit Alpha Protocol serviert geht teilweise auf keine Kuhhaut. Und da sind die technischen Macken mit langsam ladenden und detaillosen Texturen, hölzernen Animationen und der schlecht designten Umgebung eher zweitrangig. Die fummelige Steuerung nervt viel mehr, während die dümmliche Gegner-KI das letzte bißchen Atmosphäre aus dem Spielgeschehen nimmt. Alpha Protocol fühlt sich, auch nach der siebenmonatigen Verspätung, unfertig und schlampig an. Der einzige Lichtblick ist das beeinflußbare Dialog-System, mit der sich die ohnehin schon sehr spannende Story verändern lässt. Leider ist dies auch der einzige Grund, warum das Spionage-RPG ein wenig Spaß macht.

Positiv

  • Spannende Story
  • Geniales Dialog-System

Negativ

  • Technisch sehr altbacken
  • Gameplay leidet an einigen Macken
  • Rasend schnelle deutsche Texte
Userwertung
5.06667 3 Stimmen
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Forum
  • von aldi404:

    Look who's back, back again... gog.com/game/alpha_protocol...

  • von aldi404:

    Was ein geiles Spiel, trotz der ganzen Fehler. Zusammen mit Vampire Bloodlines eines der zu unrecht untergegangenen RPGs.

  • von Civilisation:

    Tobias hat damals Alpha Protocol für uns getestet. Alpha Protocol Das Schlimmste, was ein Videospiel-Entwickler haben kann, ist zu wenig Zeit. Aus Zeitmangel entstanden katastrophale Flops wie das legendäre E.T. für das Atari 2600, das von Bugs zerfressende Gothic 3 und nahezu...

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Alpha Protocol Daten
Genre Action
Spieleranzahl 1
Regionalcode PAL
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion -
Verfügbarkeit 2010-05-28
Vermarkter SEGA
Wertung 6.6
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