Sunset Overdrive: Einfach nur bumpen und grinden im Test

Lange Zeit waren Insomniac Games und Sony unzertrennlich. Mit ihren Ratchet & Clank- und Resistance-Reihen blieben sie in aller Munde. Bis auf Fuse entwickelten sie noch nie zuvor etwas für Microsoft und selbst das erschien auch für die PS3. Da ist es umso merkwürdiger, dass »Sunset Overdrive« ihr erster Xbox-exklusiver Titel ist und eine Umsetzung auf die Sony-Plattform unwahrscheinlich sein wird.

Doch das dürfte nur für kurze Irritation sorgen. Denn sobald man »Sunset Overdrive« startet, stößt man auf eine laute, schrille und grelle Welt, die einen so in ihren Bann zieht, dass man von dem Game nicht mehr loslassen kann.

Die Story ist im Jahre 2027 platziert. FizzCo, ein Konzern, der sich auf Softdrinks spezialisierte, bringt mit Overcharge Delirium XT einen neuen Energydrink auf den Markt. Zunächst nur in Sunset City, was sich im Nachhinein als richtige Wahl entpuppt hat, denn diejenigen, die den Drink zu sich nehmen, verwandeln sich in Monstrositäten, die sogenannten ODs. Und da dies ungefähr auf fast alle Bewohner der Stadt zutrifft ... Auf jeden Fall bist du einer der wenigen Überlebenden, der, nachdem er von dem Griesgram Walter gerettet wurde, nur einen Wunsch hat: nur weg von hier!

Willkommen in der Postapokalypse! Sie können sich frei entscheiden, wie sie aussehen und was sie anziehen. Sie dürfen zwischen Männlein oder Weiblein wählen, Rocker oder Wrestler oder Unterwäschemodell mit grell gefärbten Haaren. Es sind Ihnen keine Grenzen gesetzt. Und ansonsten viel Spaß beim Zocken!

Bereits die ersten Spielminuten setzen den Ton des Spiels. Falls man mit bloßen Füßen auf einer Leitung entlang grindet, ohne dass es dafür eine Erklärung gibt und ohne dass sie unter dem Gewicht der Spielfigur zusammenbricht. Oder wenn man von Autos oder Ventilatoren sich hochkatapultieren kann, ohne dass diese und du zu Schaden kommen, ist eines klar: Realismus wird in diesem Game kleingeschrieben. Stattdessen kann man »Sunset Overdrive« als eine Art lebendig gewordener Comic bezeichnen. Ein Eindruck, der im Laufe des Spiels wiederholt unterstrichen wird. Dann nämlich, wenn Geräusche grafisch dargestellt werden, wie zum Beispiel das Explodieren der Poppers.

Und man wird sich dabei prächtig unterhalten fühlen. Denn es nimmt sich selber nicht ernst. Alles wird mit einem Augenzwinkern präsentiert, vom Gameplay über die Charaktere (ich sage nur mexikanische Cheerleaderninjas) bis hin zur Präsentation. Wiederholt wird die vierte Wand zwischen dem Game und seinem Spieler durchbrochen. Mal schlägt die Spielfigur die imaginäre Kamera zurück, weil sie ihm zu nahe gekommen ist. Oder er meint an einer bestimmten Stelle zu Beginn, dass jetzt in Videospielen eine unsichtbare Stimme ertönen würde, die alles erklärt. Was anschließend auch prompt geschieht.

Zugegeben: Der Humor von »Sunset Overdrive« wird nicht jedermanns Geschmack sein. Einige werden sich von dessen Lautstärke und Schrillheit abgestoßen fühlen. Andere werden wiederum diverse Gags nicht nachvollziehen können, weil ihnen zum Beispiel Wissen über aktuell beliebte soziale Netzwerke und ihre Nutzung fehlt.

Doch man sollte dem Spiel eine Chance geben. Denn neben dem Humor gibt es auch ein gut gelungenes Gameplay und das dreht sich vor allem um eine Sache: Mit möglichst viel Style durchkommen.

Dein Spielcharakter ist äußerst athletisch. Er kann an Wänden hoch- oder entlanglaufen, grinden und bumpen. Später kann er außerdem übers Wasser gleiten und einen kleinen Sprint durch die Luft machen. Kombiniert man all das zusammen, erhöht sich eine Style-Leiste, die in drei Stufen unterteilt ist. Je nachdem welche man erreicht, lassen sich bestimmte Amps verwenden.

Dabei handelt es sich um Verbesserungen, die den Angriffen zusätzliche Wirkungen verleihen. So kann man zum Beispiel, wenn man grindet, im Nahkampf Feuerbälle verschießen. Oder, falls man mit Wucht auf dem Boden aufschlägt, eine Schockwelle auslösen – die passende Stylestufe natürlich vorausgesetzt. Man darf nie stillstehen oder nur herumlaufen. Denn in diesem Fall sinkt der Style schneller als man gucken kann und es ist nicht eben einfach, erneut auf die epische Stufe zu kommen.

Neue Amps kann man bei Floyd kochen, einem Freund von Walter. Dazu muss man allerdings diverse Zutaten einsammeln wie FizzCo-Ballons oder stinkende Schuhe. Wie gesagt, der Humor ist gewöhnungsbedürftig aber dafür auch gut. Hat man alle Ingredienzien beisammen, wird gekocht. Das ist aber eine der nervigsten Passagen des Spiels.

Im Stile des Tower Defense-Genres gilt es, einen bestimmten Punkt innerhalb der Basis vor Horden unterschiedlicher ODs zu verteidigen. Man kann zwar diverse Verteidigungshilfen wie Geschütztürme oder Plattformen, die den Feind zurück zum Startpunkt befördern, bauen – genügend Energie vorausgesetzt. Aber der Ansturm der Gegner besonders kurz vor Ablauf der Zeit ist oft zu enorm, sodass man es nur mit Mühe und Not schafft. Denn nicht jeder Feind ist auch mit jeder Waffe zu besiegen und man muss ständig die Styleleiste oben halten.

Es gibt nämlich von den drei großen Feindgruppen – ODs, Scabs und FizzCo-Killerbots – diverse Ausprägungen, die jedoch alle im gleichen Prinzip nur auf dich einstürmen. Spawner zum Beispiel, die ständig neue Feinde hervorbringen, muss man erst mit der Flaming Compensator in Brand stecken und anschließend mit der Dirty Harry niederstrecken. Spitter hingegen lassen sich am besten mit der TNTeddy erledigen. Bots muss man zunächst einfrieren, ehe man sie zum Beispiel mit dem Dude eliminieren kann.

Habe ich schon erwähnt, dass das Spiel einen gewöhnungsbedürftigen, aber dafür genialen Humor besitzt? Denn das zeigt sich erneut bei den Waffen. Die sind durchgedreht designt und verschießen absurde Munitionstypen. Der eben erwähnte Dude zum Beispiel benutzt Bowlingkugeln, die man zunächst auflädt, ehe man sie auf die Feinde loslässt. Andere benutzen Schallplatten oder mit Säure gefüllte Sprenkler. Acht Stück dieser Tötungsinstrumente kann man gleichzeitig mit sich führen und je öfter man sie anwendet, desto besser werden sie. Außerdem kann man sie ebenfalls mit Amps ausstatten. Allerdings ist die Waffenauswahl fummelig geworden und man wird, trotz extrem verlangsamtem Gameplay, Schaden kassieren.

Auch die titelgebenden Overdrives spielen eine tragende Rolle. Hierbei handelt es sich ebenfalls um Boni, die man jedoch nicht kochen muss. Vielmehr erhält man sie, wenn man zum Beispiel viel bounct, grindet oder viele Feinde tötet. Dadurch kann man beispielsweise mehr Munition kriegen oder den Schaden der Nahkampfangriffe verstärken.

Es gibt viel zu machen in »Sunset Overdrive«. Neben der Hauptmission existieren auch Nebenmissionen oder spezielle Herausforderungen. Mal muss man auf einer Strecke bestimmte Wegpunkte durchqueren und ein anderes Mal eine Gruppe von Feinden auf eine vorgegebene Art und Weise erledigen. Je nachdem wie erfolgreich man ist, erhält man hierbei Gold, Silber oder Bronze. Die Nebenaufträge sind hingegen stark nach Schema F konzipiert. Man muss nach A, B oder C und dort Objekt D, E oder F einsammeln und zum Auftragsgeber bringen. Das Einzige, was diese 08/15-Missionstypen vor dem Reinfall rettet, ist die Tatsache, dass selbst hier der Humor des Spiel zum Tragen kommt und die vierte Wand regelmäßig durchbrochen wird.

»Sunset Overdrive« macht einfach enorm viel Spaß! Es sieht genial aus, besitzt jede Menge Witz sowie einen gelungenen Soundtrack. Und schon allein durch den Fakt, dass es verschiedene Wiederbelebungssequenzen gibt, die alle Hommagen sind, hat das Spiel bei mir gewonnen. Daher ist es auf jeden Fall ein Must-have für die One.