So gut könnte Michael Jackson heute aussehen...
Wippt man zwischen den einzelnen Tanzschritten zum Rhythmus der Songs, sollte man schon nach kurzer Zeit seine erste Runde ohne Fehltritt schaffen. Kleinere Abweichungen im Timing werden großzügig vergeben. Am Ende eines Durchgangs bekommt man in den meisten Spielmodi neben einer Gesamtbewertung noch eine genaue Auflistung, in der jeder einzelne Schritt vermerkt ist. Hier erfährt der Zocker, wie oft er perfekt getroffen hat, wie häufig sein Timing nur gut war oder ob er zu oft völlig neben dem Takt auf der Matte rumgetrampelt ist. Hat man seine Sache gut gemacht, darf man sich das nächste Stück aussuchen und weitertanzen. Natürlich kann man sich auch in diversen Highscore-Listen verewigen, wenn man eine besonders beeindruckende Punktzahl erreicht hat.
Genau das Outfit brauche ich, wenn ich im Jahr 2020 das neueste Dance Dance Game auf meiner PlayStation 6 spiele.
Die Menüstruktur ist ziemlich verwirrend und auch die recht knappe und trocken verfasste Anleitung kann nicht helfen, den Spieler durch das Labyrinth aus verschiedenen Spielmodi und Einstellungsmöglichkeiten zu führen. Das Herzstück von "Dancing Stage Euromix" ist der Arcade-Mode, der wiederum in eine Vielzahl von Variationen aufgeteilt ist. Durch die große Anzahl von Songs und den einstellbaren Schwierigkeitsgrad ist das Game sowohl für ungelenkige Einsteiger als auch für akrobatische Profis geeignet. Es wird wohl nur wenige Menschen geben, die dazu in der Lage sind, die schnelleren Stücke im Experten-Modus zu meistern, da es dazu schon extremer Verrenkungen bedarf und man fast auf allen Vieren über die Tanzmatte wirbeln muss.
Es gibt noch zwei Modi, die ausschließlich zum Trainieren der tänzerischen Fähigkeiten gedacht sind. Allerdings ist eine solche Maßnahme völlig unnötig, da man ja bereits im regulären Spiel mit jeder Runde dazulernt. Um Einiges lustiger ist da der Workout-Modus, der dafür sorgt, dass die PSone zum persönlichen Fitnesstrainer wird. Hier muss man zunächst sein Gewicht eingeben und eine Kalorienzahl. Danach bekommt man so lange Lieder vorgesetzt, bis das gewünschte Pensum abgearbeitet wurde. Es ist wirklich erschreckend, wie lange man für einen einzigen Schokoriegel tanzen muss. Zum ultimativen Party-Game wird "Dancing Stage Euromix", wenn man sich gleich zwei Tanzmatten anschafft. Egal ob man kooperativ oder gegeneinander spielt, mit einem Freund macht die ganze Sache noch mal doppelt so viel Spaß.
Leider ist das abgedrehte Tanzspektakel nicht für jeden Zocker zu empfehlen. Im Spiel selbst wird bereits darauf hingewiesen, dass man auf seine Nachbarn Rücksicht nehmen sollte. Wohnt man beispielsweise im zweiten Stock eines Mehrfamilienhauses mit knarrenden Holzböden, sollte man sich den Kauf mehrmals überlegen. Vor allem in den Levels für Fortgeschrittene gibt es immer wieder Schrittkombinationen, die nur durch schnelles Hin- und Herspringen bewältigt werden können. Da kann es schon mal vorkommen, dass ein verstörter Mitbewohner nachts klingelt, um zu fragen, wie lange das Erdbeben wohl noch dauern wird.
Mit rund zwei Dutzend Songs bietet "Dancing Stage Euromix" etwas für jeden Geschmack. Neben Gloria Gaynors ewigem Party-Klassiker "I Will Survive", der 80er Jahre Hymne "Video Killed The Radio Star" von den Buggles und Boyzones erstem großen Hit "So Good" gibt es noch eine Handvoll mehr oder weniger bekannter Lieder der jüngeren Musikgeschichte zu hören. Auch der Rest der Stücke, die hauptsächlich von Künstlern beigesteuert wurden, die in Deutschland gänzlich unbekannt sind aber in Japan vor allem durch die diversen "Dance Dance"-Games zu den Stars zählen, überzeugt auf ganzer Linie. Egal ob Pop, Trance oder Techno, in diesem Game gibt es praktisch alles zu hören, was irgendwie tanzbar ist. Sogar Freunde des Skurrilen werden mit einem schnulzigen Weihnachtslied bedient. Logischerweise spielen die Soundeffekte nur eine untergeordnete Rolle, damit die Spielatmosphäre nicht zerstört wird. Neben den ständigen Schrittgeräuschen gibt es von Zeit zu Zeit einen englischen Kommentar zu hören, der den Spieler anfeuert. Wenn die Leistung zu schlecht wird, wird man durch vereinzelte Buhrufe darauf aufmerksam gemacht.
Irgendwie sieht die arme Frau ziemlich fertig aus. Tanzen kann sehr anstrengend sein, wenn man unter chronischer Polygonarmut leidet.
Die Grafik des Spiels ist etwas schlicht ausgefallen. Detailarme Figuren vollführen vor ständig wechselnden Hintergründen mit billig wirkenden Lichteffekten die Bewegungen, die auch vom Spieler erwartet werden. Trotzdem haben es die Programmierer geschafft, aus einer begrenzten Polygonzahl den ein oder anderen witzigen Charakter zu basteln. Ein Freak mit blauem Afro und Schlaghose sollte auf jeden Fall für ein paar Lacher sorgen. Die etwas antike Optik schmälert den Spielspass überhaupt nicht. Wenn man auf der Tanzmatte steht, hat man meistens schon genug damit zu tun, auf die Richtungspfeile zu achten, und selbst Zuschauer werden sich eher an den Verrenkungen des realen Tänzers erfreuen als ihre Augen auf den Fernseher zu richten.
"Dancing Stage Euromix" ist ein absoluter Top-Hit, der eine nahezu unendliche Langzeitmotivation bietet. Daran können auch die etwas undurchsichtigen Menüs und die öde Grafik nicht viel ändern. Um den Kauf einer Tanzmatte kommt man allerdings kaum herum, wenn man den vollen Spielspaß erleben will. Da man entsprechende Produkte von Drittherstellern bereits unter dem Preis eines normalen Dual-Shock-Controllers bekommen kann und Konami das Game auch im Bundle mit der Hardware veröffentlicht hat, gibt es eigentlich kaum einen Grund, diese zusätzliche Investition zu bereuen. Wer verständnisvolle Nachbarn hat und einen gepflegten Muskelkater verkraften kann, sollte sofort zugreifen, denn selten hat es so viel Spaß gemacht, etwas für seine Fitness zu tun. Echte Fans greifen zwar aufgrund der viel umfangreicheren Songlisten zu einem der aktuelleren japanischen Teile der Reihe, aber "Dancing Stage Euromix" ist eine äußerst preisgünstige Möglichkeit, das Genre kennen zu lernen.