Noch vor dem Nintendo NES stand in dem Zimmer von mir und meinem Bruder ein kleiner Heimcomputer der Firma Commodore, der für uns beide ein Sprung in eine neue Welt war. Die einfache Programmierung des C64 war ein Garant für unsere ersten kleinen Programme, die wir in einsamen Stunden selbst zusammen schusterten. Aber auch als Spieleplattform war das damals auf fast 1 Mhz getaktete Gerät ein echter Gewinner.
Junge Programmierer und einige Firmen aus den noch jungen Jahren der Videospielindustrie sollten später durch ihre Arbeiten auf dem C64 zu ersten Weltruhm kommen. Boulder Dash, Turrican oder eben Giana Sisters sind Namen, bei denen der C64-User mit funkelnden Augen an die gute Zeit zurückdenken wird. Von der langen Liste von über 500 C64-Spielen war aber vor allem Giana Sisters der Titel, der die meiste Aufmerksamkeit bekam. Und wieso? Der Stein des Anstosses kam ins Rollen, als der Programmierer Armin Gessert sich vornahm ein bereits bekanntes Spiel von Nintendo zu kopieren und deren Spielfiguren gegen zwei Schwestern auszutauschen..
Die Idee berühmte Spielideen aufzugreifen und umzubauen war nicht wirklich neu. Aber die teils geklaute Levelarchitektur von Super Mario Bros., die gute Programmierarbeit von Gessert, die Grafiken von Manfred Trenz sowie der Chris Hüsbeck-typische Soundtrack machten dieses C64-Spiel zum Renner in den Verkaufsregalen. Auch auf Schulhöfen waren die Raubkopien des Jump‘n Runs äußerst beliebt. Natürlich war klar, dass Nintendo wegen diesem Verstoß ihrer Urheberrechte sofort einen Richter einschalteten. So verschwanden bereits kurz nach der Amiga 500-Version die das Spiel in den Weiten der Videospielwelt. Mit Giana Sisters DS greift Armin Gessert jetzt seine alte Arbeit unter neuer Flagge (Spellbound) wieder auf und beschert uns den Nachfolger auf dem Nintendo DS.
Schon nach kurzer Spielzeit wird eins schnell klar: Giana Sisters DS bleibt seinen Jump‘n Run-Wurzeln treu. Dies geht sogar so weit, dass das Spiel sich noch genauso spielt wie im Jahr 1987 - nur an der Grafik wurde ein komplettes Update vollzogen. Mit der zuckersüßen Giana habt ihr die Aufgabe in einer magischen Welt alle Diamanten zu sammeln, die sie durch die Zauberkraft einer Schatztruhe verloren hatte. In 80 Level tut ihr nichts anderes wie bei Super Mario Bros. oder dem Erstling von Armin Gessert: Nämlich Steine und Blöcke zerstören, Gegner auf den Kopf springen und natürlich die wertvollen Edelsteine einsammeln. Aus manchen Steinen, die ihr mit einem Sprung knackt, kommt eine magische Kugel zum Vorschein die bei Berührung das süße Mädel in Punk-Giana verwandelt.
Im Groovelook könnt ihr dann schwere Felsblöcke zerstören, wie das bei den Mario-Brüdern bereits der Fall ist. Auch Feuerbälle im Hadoken-Style sind möglich um die Gegner auf Distanz zu halten! Erreichte euer Sammelwahn an Glitzersteinen ein gewisses Maß, werdet ihr mit einem Extraleben belohnt. Das Sammeln von roten Diamanten schaltet einen Bonuslevel pro Welt frei. Doch hierzu müsst ihr aus allen Levels einer Welt die roten Steine besitzen. Gespielt wird wie bei Super Mario Bros. 3 von einer Karte aus, wo ihr auch den nächsten Level betretet. Umwege oder versteckte Warplevel werdet ihr in der Nintendo-typischen Art - wie wir sie alle kennen - allerdings nicht finden. Daher ist der Weg immer linear und berechenbar - aber das passt zum Leveldesign, welches jedoch erst ab der zweiten Hälfte des Spiels originell wird.
So kommen die Leveldesigner erst ab Welt 6-0 richtig in Schwung und präsentieren mehrstöckige Levelbauten, die teils verzweigt sind und mit mehreren, unterschiedlichen Gegnern glänzen. Auch die Giana Sisters haben nach 20 Jahren ein paar neue Gimmicks in petto: Gelegentlich werdet ihr einen Kaugummiautomaten finden, wo ihr mit einem beherzten Sprung auf seinem Deckel einen rosa Kaugummi erhaltet. Dieser wird auf das untere Touchpad abgelegt und mit dem Finger oder Stylus selektiert. Anschließend bläst Giana eine große Blase um sich; durch Pusten ins Mikro des Handhelds bewegt sich die Protagonistin vorwärts - das geht übrigens auch klassisch mit der »A«-Taste. Das andere Gimmick kommt ebenfalls aus einen Automaten. Sammelt ihr eine Sodaflasche und aktiviert sie erneut über das Touchpad, schüttelt die Heldin eben diese Flasche. Mit dem starken Sodastrahl zerstört ihr dicke Wände und schiebt Gegner in den Abgrund.
Abgesehen von diesen kleinen Ideen bleibt das Spiel im Grunde immer dasselbe. Ihr startet einen Level, sammelt alle Diamanten ein und mit Rücksicht auf euer Zeitlimit trudelt ihr zum Ausgang. Sollte euer Vorrat an Leben zu Ende gehen, müsst ihr keine Angst haben, eure Reise von vorne zu beginnen. Die Entwickler waren so fair und spendieren euch nach dem kompletten Ableben fünf neue Leben. Außerdem dürft ihr im besagten Level, in dem ihr ins Gras gebissen habt, weiter machen. Auch Endbosskämpfe kommen beim Abschluss einer Welt auf euch zu. Hier verschenkten die Designer leider viel Potenzial, weil ihr immer denselben Gegner insgesamt acht Mal (1x pro Welt) besiegen müsst - und das natürlich Mario-typisch mit einem Sprung auf den Kopf!
Optisch macht Giana Sisters DS eine gute Figur. Die 80 Levels (..obwohl viel recycelt wurde) sind mit ihren bunten Farben und vielen Details recht ansprechend. Bei der Animation gaben sich die Entwickler mit den Gegnern als auch der Heldin viel Mühe gegeben. Wenn Giana sich bewegt, flattern ihr Rock sowie ihre Haare und die putzigen kleinen Animationen passen hervorragend in das gute Gesamtbild. Aber zieht man Vergleiche mit New Super Mario Bros. muss man sagen, dass die Jungs von Nintendo ihre Hausaufgaben besser machten. Obwohl Musikwunder Chris Hülsbeck zu diesem Projekt nicht gewonnen werden konnte, strahlen seine alten Songs im neuen Design und versprühen Retrofeeling pur.
Unser Video zum Spiel:
Die Erwartungen der Fans rund um das Jump’n Run waren hoch, aber in meinen Augen ließen die Entwickler zu viel beim Alten. Hier wurde eindeutig Potenzial verschenkt! Das Leveldesign ist immer noch auf den Stand von 1987, was leider auch die Ideen betrifft. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Titel deswegen schlecht ist - doch das Genre veränderte sich im Laufe der Jahre und setzte neue Standards gesetzt. Giana Sisters DS pfeift auf diese neuen Methoden und ist Retro pur. Somit werden Fans und Liebhaber spaßiger Hüpfspiele ihren Spaß haben! Zocker aber, die Mario auf seinem langen Weg begleiteten, und hoffen hier eine nette Alternative zu finden, werden allerdings nicht glücklich werden.