Doch Phantasy Star tauchte nicht plötzlich auf. 1986 entwickelte Yuji Horii im Hause Enix das japanische Rollenspiel Dragon Quest, in Amerika auch Dragon Warrior genannt. Seine Vorbilder waren diverse US-Titel wie Wizardry und Ultima, die mit damals unfassbar großen Umfang und Komplexität den Großteil der Spieler abschreckte. Yuji schnappte sich die Spielidee und verpackte sie in ein Format, das für ein breiteres Spektrum an Gamern zugänglich war. Zudem versteifte er sich nicht zu sehr an unsäglich vielen Kampfwerten, Statistiken und Attributen, sondern setzte sein Fokus auf Charakterentwicklung und einer gut erzählten Geschichte.
In Japan kam das neue Konzept auch sehr gut an, doch zeigten US-Spieler nur wenig Interesse. Egal, dachten sich SEGA und Nintendo, die fast zeitgleich die Entwicklung zweier JRPG‘s in Auftrag gaben. Square entwickelte dank Nintendo‘s Knebelvertrag das legendäre Final Fantasy für den grauen Brotkasten, während SEGA im hauseigenen Studio mit seinem Sci-Fi Abenteuer einen etwas anderen Schritt wagte. Am 20. Dezember 1987 erschien drei Tage nach dem ersten Final Fantasy der Auftakt der Phantasy Star Saga für das Master System. Schon damals bot das Spiel alles, was JRPG‘s heute ausmachen. Eine große und frei erkundbare Weltkarte, interaktive Städte, Monster verseuchte Höhlen und natürlich der hassgeliebte Random-Encounter, der den Spieler alle paar Sekunden von der Weltkarte automatisch in einen Kampf schmiss.
Die Geschichte spielt im Solar-System Algol, welches aus den drei Planeten Palma, Motavia und Dezolis besteht. Ihr Herrscher King Lassic mutiert dank seiner neuen Religion, der sogenannten Dark Force, zu einem fiesen Diktator, woraufhin sich mehrere Rebellionen bilden. Einer der Anführer, Nero, kommt in einem Kampf gegen Lassic‘s Robot-Cops ums Leben. Der Spieler übernimmt nun die Rolle von Alis, die Schwester des Opfers, die natürlich nach Rache sinnt.
Auf ihrer Reise trifft sie neue Kameraden, wie Myau, eine sprechende Katze, Odin, ein ehemaliger Rebell unter Nero‘s Führung, und die Esper Magierin Lutz/Noah. Im Laufe der Geschichte erkennen sie das wahre Unheil der Dark Force, so dass ihre eigenen Rachegelüste immer weiter in den Hintergrund rücken und sie fortan beschließen Algol zu befreien. Spielerisch wagte SEGA keine Experimente und hielt sich nah an der Dragon Quest Vorlage. Mit einer Gruppe von maximal vier Charakteren durchstreift der Spieler Wälder, Berge und Wüsten und bekämpft dabei rundenbasiert allerlei Widersacher.
In Städten standen zudem einige Tratschtanten bereit den Spieler mit ihrem teils belanglosen Wissen aufzuhalten, während diverse Shops mit neuen Waffen, Rüstungen und sonstigen Hilfsmitteln dienten. Das besondere Merkmal von Phantasy Star war neben dem innerhalb des Genres frischen Sci-Fi-Setting die beachtenswerte Technik, die nicht nur die Kämpfe aus einer 3D-Ego-Perspektive zeigte, sondern auch die Dungeons in einem schicken 3D-Gewand präsentierte.
Möglich machte dies das 512 Kilobyte große Modul, auf dem sogar fünf Speicherslots Platz fanden. Nur wenige Spiele für das Master System kamen mit einem derartigen Speicher daher. Mit einem Verkaufspreis von 70 bis 80 US-Dollar wurde Phantasy Star dadurch eines der teuersten Konsolenspiele zu der Zeit. Zum Vergleich: Nach dem Preisfall des Master System 2 war das Sci-Fi-Spektakel nur $10 günstiger als die Konsole selbst.
Sowohl bei Fans als auch bei Kritikern kam das erste Phantasy Star hervorragend an und wird heute als Grundstein vieler aktueller JRPG‘s gesehen. Seinem Ruhm verdankte es den ausgearbeiteten Charakteren, denn anders als bei der Konkurrenz waren die Spielfiguren festgelegt und wurden nicht manuell erstellt. So konnte der Spieler deutlich mehr in die Geschichte und der Spielwelt eintauchen. Zudem zeigte das Sci-Fi-Abenteuer, wie auch das im Vorjahr erschienene Metroid, das eine weibliche Hauptprotagonistin taff und heldenhaft sein kann, ohne dabei lächerlich und kitschig zu wirken. Selbst heute, 25 Jahre nach Release, ist das erste Phantasy Star, im Gegensatz zur Final Fantasy Konkurrenz, absolut spielenswert.
Am 21. März 1989 erschien Phantasy Star II für das japanische Mega Drive. Spielerisch änderte SEGA lediglich die Kamera-Perspektive. Anstelle der schicken 3D-Ego-Optik für Dungeons und Kämpfe bekamen nun nur noch die Gefechte eine Third-Person-Ansicht spendiert. Die Geschichte spielt 1000 Jahre nach den Ereignissen des Erstlings. Der böse King Lassic wurde besiegt. Seitdem kümmert sich ein hochentwickeltes Bio-System namens Mother Brain um den ehemaligen Wüstenplaneten Motavia, der sich nun als tropisches Paradies im Algol-System entpuppt.
Doch die Ruhe sollte nicht von Dauer sein, denn durch einen ungeklärten Unfall erscheinen nun Monster, sogenannte Bio-Hazards, auf dem sonst friedlichen Planeten. Zusammen mit der mysteriösen Nei bekommt unser Hauptprotagonist Special Agent Rolf den Auftrag nach der Ursache des Problems zu suchen. Die Erwartungen an einen neuen Phantasy Star Ableger waren immens, doch konnte Phantasy Star II sie alle toppen. Dank des Sprungs auf ein 16-Bit System konnte die Cartridge mit satten sechs Megabyte bepackt werden, was es, wie damals der Vorgänger, zum größten Modul seiner Zeit machte. Die Grafik wurde deutlich aufpoliert, die Spielwelt vergrößert und die Story wesentlich epischer und dramatischer mit einer gehörigen Portion Charaktertiefe präsentiert. Schon damals gab es einen ähnlich schockierenden Story-Twist wie 1997 in Final Fantasy VII.
Phantasy Star II lag neben der typischen multi-lingualen Anleitung ein dickes Lösungsbuch bei, doch selbst mit dem Buch hatte das Sci-Fi-JRPG einen extrem hohen Schwierigkeitsgrad. Ständige Random-Encounter kombiniert mit starken Widersachern und mit teilweise unfair platzierten Speicherpunkten machten das Spiel zur Geduldsprobe.
Zudem wurden die Dungeons immer größer, verzwickter und komplizierter - trotz der Top-Down-Perspektive und den Karten im Lösungsbuch. Das zweite Phantasy Star Abenteuer war zwar ein Meilenstein und zurecht eines der besten 16-Bit Rollenspiele, doch ist das gute Stück wegen des altmodischen Schwierigkeitsgrades sehr schlecht gealtert.